Sehr geehrter Herr Schaarschmidt,
Das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi wird seit einigen Jahren fuer Infektionskrankheiten bei Kastanienbaeumen verantwortlich gemacht. Pseudomonaden sind Gram-negative, bewegliche Bakterien, die vielfach im Boden leben und hier unter anderem mit Planzen (Wurzeln) interagieren und das Pflanzenwachstum unterstuetzen koennen (siehe z.B. das Bodenbakterium Pseudomonas putida. Darueber hinaus gibt es human- (z.B. Pseudomonas aeruginosa) und pflanzenpathogene Pseudomonas species (z.B. Pseudomonas syringae). Pathogene Pseudomonaden verfuegen ueber Virulenzfaktoren, die es ihnen erlauben, den Wirt (Tier, Mensch, Pflanze, Baum) erfolgreich zu besiedeln. Diese Besiedlung geht oft (nicht immer) einher mit Krankheitssymptomen beim entsprechenden Wirt. Wirte sind aber nicht wehrlos, vielmehr haben sie im Laufe der Evolution Mechanismen entwickelt, die eine vorhandene Infektion abwehren oder von vornherein verhindern (Immunitaet). Die Mechanismen gibt es bei Tieren und Pflanzen. Laut Literatur gibt es ja auch im Fall der Infektion von Kastanien mit Pseudomonas syringae pv. aesculi Baeume, die neben infizierten Baeumen stehen, aber keinerlei Krankheitssymptome aufweisen. Das gibt guten Grund zu der Hoffnung, dass trotz Verlusten das Bakterium Kastanienbaeume nicht beseitigen wird. Vielmehr ist es wie bei nahezu jeder Infektionskrankheit so, dass das Infektionsgeschehen die Verbreitung von Immunitaet gegen der Verursacher foerdert.
Wie gestern im Telefonat bereits gesagt, bin ich kein Baumfachmann. Von mikrobiologischer Seite kann ich zu Pseudomonaden sagen, dass es sich um aerob lebende Bakterien handelt, dass heisst, sie benoetigen Sauerstoff zum Wachstum. Sauerstoffmangel bei ansonsten ausreichender Naehrstoffversorgung inhibiert das Wachstum (die Vermehrung) von Pseudomonaden. Sauerstoff kann - wenn vorhanden - durch Nitrat ersetzt werden. Damit ist anaerobes Wachstum prinzipiell moeglich, ich gehe aber nicht davon aus, dass Nitrat an Baeumen in ausreichenden Mengen zur Verfuegung steht (Planzen koennen Nitrat als Stickstoffquelle nutzen, reduzieren es aber sehr schnell). Es ist also zu erwarten, dass Sauerstoffmangel das Wachstum von Pseudomonas syringae pv. aesculi inhibiert.
Ein wichtiger Parameter fuer das Bakterienwachstum ist die Temperatur. Pseudomonaden wachsen optimal im Labor bei 30 oC. Hoehere Temperaturen (z.B. 40 oC) und niedrige Temperaturen inhibieren das Wachstum. Dabei koennen Pseudomonaden als Bodenbakterien auch niedrige Temperaturen gut ueberleben.
Dies sind wissenschaftlich gesicherte Fakten, fuer die ich stehe. Man kann daraus ableiten, dass eine Waermebehandlung von infizierten Kastanienbaeumen oder die Schaffung von anaeroben Bedingungen Massnahmen zur Therapie der Infektionskrankheit sind. Ich verfuege aber ueber keinerlei Erfahrung, wie solche Massnahmen an Baeumen verwirklicht werden koennen und wie wirksam diese Massnahmen tatsaechlich sind. Deshalb moechte ich Sie bitten, mich nicht bei Ratschlaegen zur praktischen Umsetzung moeglicher Therapiemassnahmen zu zitieren. Die Idee eines “Waermemantels” hab ich gestern selbst nur im Internet gelesen. Es liegen mir dazu keine wissenschaftlichen Daten vor. Gleiches gilt fuer die Anwendung von “Lehmbinden”.
Mit besten Gruessen,
Heinrich Jung
20.11.2020 Sehr geehrter Herr Schaarschmidt,
auf Seite drei haben Sie Ihre Gedanken basierend auf den vorher dargestellten Fakten klar formuliert. Ich habe dem nichts hinzuzufuegen. Ich wuensche Ihnen Glueck und Erfolg mit Ihren Anstrengungen und Muehen zur Rettung der Kastanienbaeume.
Mit besten Gruessen,
Heinrich Jung
Nur so kommt man weiter: die Praxis mit den wissenschaftlichen Fakten verbinden (Robert Koch, sonst haett mer immer noch die Bazillen). Das macht einen doch stolz, diese Methoden in Muenchen zu entwickeln.