Volker Meng vom Forstwissenschaftlichen Institut der Uni Goettingen antwortet
3.11.2020 Sehr geehrter Herr Schaarschmidt,
zunaechst einmal vielen Dank, dass Sie und Ihre Nachbarn sich fuer den VORHANDENEN BAUMBESTAND in ihrem Viertel einsetzen. Angesichts der sich abzeichnenden Klimaaenderung, den immer oefter vorkommenden Hitzewellen usw. ist es gerade fuer grosse Kommunen wichtig, moeglichst viele Baeume im Gruenflaechen und Strassenbereich zu haben, um Hitzeinseln usw. moeglichst zu vermeiden und damit das Stadtklima fuer alle ertraeglich zu halten.
Nun aber zu Ihren Fragen. Wenn ich Ihren Text richtig verstanden habe, hat die Stadt Muenchen die Gehoelzpflege an eine private Firma vergeben bzw. abgegeben.
Generell ist es so, dass, ob einem das nun passt oder nicht, wir in Deutschland eine Rechtsprechung haben, die die Betreiber von Haeusern, Einrichtungen oder aber auch Gruenanlagen mitsamt ihrem Inventar wie z.B. Spielplaetze, Sitzbaenke aber auch Baeumen in Haftung nehmen kann. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein vorab sich abzeichnender Schaden „denkbar“ sein koennte und der Eigentuemer den sich daraus ergebenden moeglichen Schaden, der dritten entstehen koennte, nicht im Vorfeld beseitigt hat. Das Ganze nennt sich Verkehrssicherheitspflicht. Um der immer klagefreudiger werdenden deutschen Bevoelkerung keinen Grund zu geben gegen einen klagen zu koennen, sind sowohl private Baumeigner, aber auch die oeffentlichen Eigner darauf aus, absehbare durch Gehoelze verursachte Schaeden schon im Vorfeld zu beseitigen. Das kann je nach Befund ein mehr oder weniger starker Kronenschnitt, der Einbau von Verspannungen oder aber auch das Faellen eines Baumes zur Folge haben. Unternimmt der Besitzer nichts kann das sehr teuer fuer ihn werden. In der Folge werden daher oftmals Baeume in, ich nenn es mal vorauseilendem Gehorsam gefaellt. Verstehen Sie das nicht falsch, als Gehoelzliebhaber bedaure ich diese, von vielen Gerichten in der Vergangenheit ausgeuebte Rechtsprechung gegenueber den Besitzern und Entscheidungstraegern. Kann sie aber auch nicht aendern. Zumal sie, auch das muss man sehen, im Einzelfall ja auch wirklich gerechtfertigt sein kann.
In Ihrem Fall ist es aufgrund der vorliegenden Fotos sehr schwierig eine genaue Aussage zu treffen. Zum einen benoetigte man dazu von den Wunden Makroaufnahmen, die man am PC auch noch mal zoomen kann um wirklich etwas zu sehen. Zum anderen benoetigte man dazu Fotos vom gesamten Baum, um sich auch ein Bild ueber die gesamte Baumvitalitaet, also auch der Krone machen zu koennen. Ist da schon Totholz drin, sind da schon groessere Astwunden ja / nein usw. Im Prinzip muesste man den Stamm von allen Seiten sehen koennen, denn ich kann auf einem Foto ja nicht sehen, ob der Stamm auf der Rueckseite wirklich ok ist, oder ob da weitere Verletzungen / Wunden sind.
Wenn ich Ihre Fotos durchgehe, kann ich nur ganz knapp folgende Aussagen machen:
Oids und neuss - Aesculus hippocastanum Stamm erscheint mir, soweit ich das auf dem Foto sehe, gesund zu sein.
Holty 7 – Junge Aeculus carnea: Am Stamm befindet sich eine herablaufende Rindenschwaerzung oder ein Schwarzer Ausfluss. Das koennte entweder Pseudomonas syringae pv. aesculi oder aber Phytophtera cactorum sein. Wahrscheinlich aber ersteres.
Holty 7 staerkerer Stamm - sieht wie Pseudomanas aus.
Holty 7 - Sehr starke mutwillig herbeigefuehrt Rinden- und Stammverletzung. Ob die zur genauen Diagnose erforderlich, wage ich zu bezweifeln, kann ich von hier aus aber auch nicht korrekt beurteilen.
Holty 7 - Sehr grosse Rindenverletzungen und Pilze aus dem nacktem Stammholz. Ob die Rinde abgestorben war oder heruntergerissen wurde kann ich nicht beurteilen. Ist aber wohl schon laenger offen. (Ja, siehe Google Foto von 2008)
Johann Clanze 84 - Sehr grosse Rindenverletzung. Mit Lehm zugeschmiert. Auf dem Bild kann ich kein Pseudomonas oder Phytophtera erkennen.
Johann Clanze 80 - Blaue Markierung keine Pseudomonas usw. zu erkennen.
Johann Clanze74 - Stammwunden aber kein Pseudomonas oder Phytophtera erkennbar.
Es ist nicht so, dass ich mich vor einer genauen Aussage druecken will, aber, in Ihrem Fall kann ich von hier keine genauere Aussagen machen. Um wirklich zu ueberpruefen ob die zur Faellung vorgesehenen Baeume, aber auch die anderen nicht dazu vorgesehenen, wirklich gesund sind oder aber wirklich gefaellt werden muessen oder ob zunaechst andere Massnahmen getroffen werden koennen. Kann man nur vor Ort klaeren. Ich empfehle Ihnen dazu sich an ihre zustaendige Landwirtschaftskammer zu wenden mit der Bitte Ihnen einen wirklich guten vereidigten Sachverstaendigen aus Ihrem Grossraum zu benennen. Sie koennten sich aber auch direkt an das Gruenflaechenamt Muenchen wenden, denn die haben, soweit ich weiss, auch ausgebildete Arboristen, die sich dazu fachlich aeussern koennten.
Bei Phytophtera cactorum gibt es meines Wissens nach keine Moeglichkeit einer Baumrettung.
Beim schwarzen Brandkrustenpilz (rund am Stamm) muss der Baum sofort gefaellt werden. Andere nicht.
Bei Pseudomonas ist es so, das ansonsten vitale Baeume einen Befall ueberleben koennen.
In dem Fall sollte man sich ueberlegen, inwieweit die Stadt Muenchen aber auch Sie und Ihre Nachbarn als Anwohner, etwas fuer die Baeume tun koennen.
Eine wesentliche Verbesserung der Umfeldes waere z.B. Parkende Autos auf dem Gruenstreifen zu unterbinden, da dies zur Bodenverdichtung fuehrt. Vermeiden von Streusalz auf den Gehwegen, Hundebesitzer darauf hinweisen, dass das Anpinkeln der Baeume durch die Hunde sehr schaedlich ist. Der HUNDE-URIN an den Stammanlaeufen ist sehr aggressiv und schadet dem Baum langfristig sehr. Denn die Hundeliebhaber sind auch Naturliebhaber. Waessern Sie die Baeume einfach einige mal im Laufe des Jahres. Vor allem bei langanhaltenden Hitzeperioden. Gegen eine wahrscheinliche Bodenverdichtung am Standort kann man mit einem Terra-Lift System bei gleichzeitiger Naehrstoff-, Mykorrhiza- und Sandeinspuelung den Boden wieder auflockern.
P.S. Als Baumliebhaber und Beiratsmitglied der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft habe ich natuerlich ein grosses Interesse daran, dass moeglichst viele Baeume in unseren Staedten stehen, und solange es geht behandelt und erhalten werden. Von daher kann ich Ihnen nur, wie bereits gesagt, ans Herz legen, sich um einen guten Baumsachverstaendigen zu kuemmern. Ich wuensche Ihnen dazu viel Glueck und Erfolg.
Wenn Sie keinen Gutachter einsetzen wollen, bleibt Ihnen nur die Presse. Versuchen Sie doch einen guten Reporter zu bekommen, der Ihnen das weiterhilft. Auf Presse reagieren viele Politiker und Verwaltungen zumindest eher.