Reifepruefung Radio Luxemburg Schaefers Idee mit Kulturbund 1969
Ich erinnere mich an einen Sommertag am Filzteich. Liege mit Freunden am Damm, Kurzwellen pfeifen, Radio Luxemburg in Kofferradios aufgedreht, lachen, springen in Jeans ins Wasser, schwimmen, lieben am Strand oder im Wald. Bin mit Sigrid und Andy oft raus gefahren zum Baden... Einmal treffen wir andere Jugendliche. Freunden uns an. Wo gibts hier was zu essen? Na fein, gehen wir Schnitzel essen im Strandcafe. Wir reden und lachen miteinander. Nebenher tausche ich 30 Westmark. — Die wandern im Brief zu Rosl nach Hamburg, der Freundin meiner Oma Luise aus dem ausgebombten Chemnitz. Neben den jaehrlichen Stollenzutaten wie Rosinen, Zitronat, Palmin und Kaffee kommen die neuen Lee Jeans vor Weihnachten an. — Als wir zu diskutieren anfangen, stellt sich raus, die 4 um den Studenten Hammer sind vom SDAJ, Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend aus Wuppertal. Aha, wie gefaellt es euch denn hier? Ja, kleine Fehler, aber sonst ist alles prima. Sie wohnen im Ferienlager. Also Jugendliche aus dem Westen. Einer hat als Vorbild die Muenchner Raeterepublik (nach Muenchen komm ich erst spaeter hin). Ich kann mit dem Begriff Linke/Rechte nicht viel anfangen. Meine Freunde Andy und Willy waren wie Musketiere: Einer fuer Alle, Alle fuer Einen. Bloss, dass du dann oft im Regen stehst, wusste ich noch nicht. Wir erfuhren, dass diese Jugendlichen sich noch nie Gedanken machten, was die SED fuer eine Herrschaft errichtet hatte — von der sie eingeladen waren.
Keine Ahnung, Aufklaerer: ob Student Hammer und Co. umgedreht wurden? Konnte ich sie dazu bringen, uns zu helfen? Offensichtlich gab es 1968 im Westen genug Leute, die die DDR gern hatten. Sie mussten ja nicht drin leben. Traeumte ich von SED-kontrollierten Westlern, die unsere Gruppe in Mitteldeutschland unterstuetzen? – Die 4 wurden jedenfalls 1970 vom MfS befragt. Welche Perspektive sowas hat, schildert Topas Rainer Rupp hier im Video.
Im Sommer 1969, nachdem wir das Abitur in der Tasche haben, ist klar, dass sich unsre Wege trennen. Andy zur Fahne, Sigrid zur Uni Halle. Wie sollen wir in Kontakt bleiben? Was wollen wir tun? Wir wissen nur, dass die Spitzel ueberall sind. Als ich Gavroch, Joachim Schaefer bei meiner Oma frage, seine Oma wohnte in der Webergasse, wie man zugelassen werden koennte und er, der Aeltere, Psychologiestudent in Jena es fuer moeglich hielt, dass unsere Gruppe in den Kulturbund aufgenommen und legalisiert werden koennte, scheint das ein Weg zu sein; die Ziele bedeckt zu halten. Doch ungeduldige Studenten wollen die SED-Diktatur am Besten gleich morgen aufloesen.
Prag 1968. Selbstbewusste Arbeiter mokieren sich in Versammlungen: Wie kann man so mit den Leuten umspringen? Was tut die Regierung mit uns, immer von oben herab? Wann kommen Einkommen und Angebot? Parteigenossen machen Witze. So war ihr Kommunismus nicht gemeint. Jetzt scheint es nur noch ein paar Aktionen zu beduerfen, um die Panzer in Prag in einen Aufstand bei uns umzumuenzen. Ihr seht doch, die Partei ist nicht in der Lage, das zu verwirklichen, was ihre Propaganda mit Rot an die Fabriken malt. Geschwaetz, Halluzination. Herrschaft des Proletariats ist Bonzenherrschaft; Bonzen war ein viel benutztes Wort (von Tucholsky). Und wenn wer protestiert, kommen die Russen mit Panzern. Schau nur hin, die koennen das nicht. Die Jugend kann das besser. Deutsch im Hinterkopf und frei sein. Ja, reden wir nicht, sondern fangen wir an. Doch viel schoener als das ist die Liebe.
Spirit goes on. After Prague spring crash down time seems ready to send Moscow's devotees away. But love is amazing, Sunshine of Love und Hey Joe — Foto: A. Lorenz.
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